Der Hanbok meiner Mutter

Helena Parada Kim in der Galerie Tristan Lorenz

- Christoph Schütte -

Vermutlich, sagt Helena Parada-Kim, habe ihre Malerei ihren Ausgang an je­nem Tag genommen, "als meine Mutter Korea verließ". Das war 1965. Eine be­merkenswerte Aussage für eine junge Künstlerin, die erst siebzehn Jahre spä­ter in Köln das Licht der Welt erblickte. Und doch erscheint sie alles andere als absurd angesichts der Ausstellung „In Mother's Hanbok", mit der sich die Meis­terschülerin von Peter Doig nun erstmals in der Frankfurter Galerie Tristan Lo­renz vorstellt.
Dabei sind es nicht einmal zuvörderst Parada-Kims Motive, die eine solche Hal­tung evident erscheinen lassen. Zahlrei­che ihrer Gemälde zeigen traditionelle koreanische Kleidung wie den titelgeben­den, selbst in Korea freilich längst aus dem Alltag verschwundenen Hanbok. Die Kleidungsstücke sind vor meist scheinbar nachlässig aufgetragenen mo­nochromen Hintergründen zu sehen. Doch das Thema der Werke ist im Kern das klassische Porträt der europäischen Kunstgeschichte. Das gilt selbst dort, wo, wie in den Arbeiten „Seung-Za" oder „Frau You", erkennbar niemand in den Kleidern steckt.
Im Grunde steht diese Malerei für eine Form des biographischen Erzäh­lens, für die Aneignung eigener Vergan­genheit und das Einüben in eine Traditi­on, die Parada-Kim selbst nur vom Hö­rensagen kennt, von ihrer Tante, ihrer Großmutter, ihrer Mutter vielleicht, die das damals rückständige Korea verließ, um in Deutschland als Krankenschwes­ter zu arbeiten.
So weit, so konventionell. Vergleichba­re künstlerische Strategien hat man in den vergangenen Jahren schon gelegent­lich gesehen. Doch wie Parada-Kim das macht, wie sie den stofflichen Qualitä­ten eines seidenen Hanbok, einer Kunst­faser oder der traditionellen Malerei auf einem Paravent Ausdruck zu verleihen versteht, ist ein nachgerade sinnliches Vergnügen.
Die malerisch aufregendsten Arbeiten allerdings sind die, in denen die Illusion beinahe mutwillig gebrochen scheint, so wie in den Olstudien auf Papier und dem großformatigen „Alles Gute den zwei Schwestern" aus diesem Jahr. Es ist ein schon vielfach variiertes Motiv im Werk der jungen Künstlerin, das mit dem Ab­schied der Mutter aus Korea auf eine ver­gleichsweise rohe, ja unfertig anmuten­de Weise jenes Thema formuliert, um das sich seit Düsseldorfer Akademiezei­ten alles dreht im Werk der Tochter eines Spaniers und einer Koreanerin: die Su­che nach der eigenen Identität. Ein gro­ßes, womöglich kaum zu bewältigendes Thema. Und doch, als Malerin hat Para­da-Kim das, was sie sucht, offenkundig schon gefunden.